Seit dem 1. August 2018 amtet der Spitzenfechter und mehrfache Olympiateilnehmer Silvio Fernandez beim Fechtclub Bern als Nachwuchstrainer. Im Interview verrät er seine Vision für den Club – und warum ihm die Stadt Bern am Herzen liegt.

Silvio Fernandez ist im Fechtclub Bern kein Unbekannter. Schon seit längerem geht er bei uns ein und aus, half immer mal mit als Coach und kam als aktiver Spitzenfechter auch selbst zum Training.

Der ausgebildete Jurist und gebürtige Venezolaner arbeitete bis Ende Juli 2018 als Diplomat für die Botschaft Venezuelas. Er ist verheiratet mit der ehemaligen Walliser Spitzenfechterin Sophie Lamon und hat zwei kleine Töchter.

Beim legendären Sieg des Schweizer Degenteams im chinesischen Wuxi im Juli dieses Jahres war Silvio Fernandez als Video-Analyst dabei. Wie er zum Erfolg beigetragen hat, erzählt Max Heinzer in diesem Interview mit Telebasel.

 

Silvio Fernandez, mit welchem Gefühl hast du deine Arbeit als Nachwuchstrainer bei uns im Club angefangen?

Ich freue mich sehr, dass ich Teil des Teams des Fechtclubs Bern bin und mit Maître Gabriel Nielaba zusammenarbeiten kann. Wir waren schon ein Team während meiner Karriere. Wir verstehen uns sehr gut und ich freue mich jetzt über diese neue Form der Zusammenarbeit.

Ich freue mich auch auf die Arbeit mit dem Vorstand. Ich finde, das sind Leute, die sich wirklich für den Club einsetzen wollen, die denselben Spirit und dieselbe Leidenschaft haben für das Fechten wie ich. Man hat denselben Code.

 

Welche Ziele verfolgst du?

Das Ziel für den Club ist klar: Wir wollen unsere Jungen ins Herz der Schweizer Nationalmannschaft bringen, erst in die Mannschaften der Cadets und Junioren, und dann in diejenige der Senioren. Das gilt für Damen und Herren gleichermassen. Wir haben schon eine Gruppe, die recht stark ist, das hat man am Ende der letzten Saison gesehen.

Wir wollen eine Fechtschule schaffen, welche die Jungen nicht nur auf der Planche fördert und formt, sondern auch menschlich. Oft sind junge Fechterinnen und Fechter auch in der Schule und im Studium sehr erfolgreich. Marcel Fischer zum Beispiel holte Olympia-Gold und machte im gleichen Jahr seinen Doktor in Medizin. Das ist also durchaus kompatibel.

Der Fechtclub Bern ist jetzt schon ein erfolgreicher Club, und ich will mithelfen, ihn zu einem der wichtigsten Fechtclubs in Europa zu machen. Das ist mittel- und langfristig mein Ziel.

 

Wie stehen denn die Chancen für den Fechtclub Bern, grosse Ziele zu erreichen?

Ich bin sicher, dass wir erfolgreich sein werden. Man muss etwas Geduld haben, das gilt auch für mich. Ich habe die Tendenz, schnell vorwärts machen zu wollen, aber das Fechten ist ein Sport, der Zeit braucht, damit die Technik gut entwickelt wird. Man sollte nichts überstürzen wollen. Aber wir werden erfolgreich sein.

 

Gibt es ein Rezept, wie aus talentierten Jungen erfolgreiche Spitzenfechter werden?

Man muss den Fechtschüler sich entwickeln lassen wie einen Baum. Wenn man ständig an ihm herumschneidet und ihn beobachtet, wächst er nicht. Man soll nicht daran ziehen, sondern ihn nähren und sich mit ihm beschäftigen. Man soll ihn pflegen und für ihn sorgen, doch man soll es ihm auch ermöglichen, dass er sich selbst entwickeln kann. Plötzlich kommen die Blätter, kommen starke Zweige. Du hast es gar nicht richtig gesehen, und plötzlich ist er gross und stark; ein Baum, der allen Freude macht.  

Man muss die jungen Bäume pflegen und zu ihnen schauen, darf sie aber nicht bedrängen.

 

Du hast in Bern als Diplomat in der venezolanischen Botschaft gearbeitet. Was verbindet dich mit Bern?

Meine Verbindung zu Bern begann 2007, als ich den «Grand Prix de Berne» gewann. Es war der erste Weltcupsieg meiner Karriere, und das hat auch meine Beziehung zur Stadt geprägt. Es war ein sehr starkes Teilnehmerfeld – und dass ich ausgerechnet hier gewann, war für mich fast ein bisschen so etwas wie ein Zeichen. Jetzt muss ich nur noch Berndeutsch lernen!

 

Silvio Fernandez, viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch!

 

Kurzporträt Silvio Fernandez

Geboren am 9. Januar 1979 in Caracas, Venezuela

Wichtigste sportliche Erfolge:

·      4 Weltcupsiege: Bern (2007), Paris und Kuwait (2008), Sydney (2009), Genf (2013)
·      8 Mal Panamerikanisches Gold: Zwei Siege im Einzel, sechs Siege im Team
·      4 Olympiateilnahmen mit olympischem Diplom: Athen (2004), Peking (2008), London (2012), Rio (2016)

Video vom Juniorentraining mit Silvio Fernandez